Entscheidung Nr. 1163/2016

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

L., Ablehnung
M., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Stadt Wien

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Liesing (01805), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Atzgersdorf (01801), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
alle auf Landkarte anzeigen

Entscheidung

 

Nummer

1163/2016

Datum

10.10.2016

Gründe

Keine Zuständigkeit der Schiedsinstanz bzw. kein Anwendungsbereich des EF-G
Entschädigung oder sonstige Gegenleistung iSd § 32 Abs 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 1163/2016

Wien, Atzgersdorf und Liesing

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 10. Oktober 2016 zwei Anträge auf Naturalrestitution von Liegenschaften in Wien, Atzgersdorf und Wien, Liesing abgelehnt. Der ursprüngliche Eigentümer hatte nach 1945 seine Rückstellungsansprüche gegen Zahlung einer Geldsumme abgetreten und somit bereits eine Entschädigung für die antragsgegenständlichen Liegenschaften erhalten.

Die beantragten Liegenschaften in Atzgersdorf und Liesing befanden sich 1938 im Eigentum des jüdischen Lederfabrikanten Fritz S. und wurden für dessen Lederfabrik genutzt.

Am 12. März 1938 flüchtete Fritz S. mit seiner Ehefrau in die Schweiz und später weiter in die USA. Im Juni 1938 wurde das gesamte Vermögen von Fritz S., darunter die Fabrik und die Liegenschaften, als „volks- und staatsfeindliches Vermögen“ beschlagnahmt, zugunsten des Landes Österreich eingezogen und das Eigentumsrecht an den Liegenschaften für das Land Österreich einverleibt.

Bereits vor der Beschlagnahme hatte die Vermögensverkehrsstelle einem Kaufwerber, Dr. Wilhelm H., eine Vorgenehmigung zum Erwerb der Fabrik und der Liegenschaften erteilt. Nach Interventionen des deutschen Auswärtigen Amtes und des Reichswirtschaftsministeriums beim österreichischen Finanzminister Hans Fischböck – Dr. H. war der Schwiegersohn des Jugoslawiendeutschen Adolf W., eines beim NS-Regime angesehenen Lederfabrikanten und Großindustriellen – verkaufte das Land Österreich im März 1939 die Lederfabrik an Dr. H. und die Liegenschaften in Atzgersdorf und Liesing je zur Hälfte an Dr. H. und dessen Ehegattin.

Im September 1948 beantragte Fritz S. bei der Rückstellungskommission Wien die Rückstellung der Lederfabrik und der Liegenschaften in Atzgersdorf und Liesing. Dazu erging im Dezember 1948 ein Teilerkenntnis, wonach die Lederfabrik und die Liegenschaften an Fritz S. rückzustellen waren. Nach längeren Verhandlungen trat Fritz S. seine Rückstellungsansprüche aus diesem Verfahren gegen Bezahlung einer nicht mehr feststellbaren Geldsumme an August W., den Bruder von Adolf W., ab und zog im Juli 1950 seinen Rückstellungsantrag zurück.

Der Schiedsinstanz ist es grundsätzlich verwehrt, über eine Forderung zu entscheiden, die bereits zuvor durch eine österreichische Behörde entschieden oder die von den Beteiligten einvernehmlich geregelt worden ist und für die die AntragstellerInnen oder deren Verwandte „auf andere Weise“ eine Entschädigung oder sonstige Gegenleistung erhalten haben. Das Entschädigungsfondsgesetz erlaubt es allerdings, in jenen Ausnahmefällen, in denen die Schiedsinstanz einstimmig zu der Ansicht gelangt, dass eine frühere einvernehmliche Regelung oder behördliche Entscheidung eine „extreme Ungerechtigkeit“ dargestellt hat, eine neuerliche Entscheidung zu treffen.

Im gegenständlichen Fall wurden die Forderungen Fritz S.s jedoch weder durch ein österreichisches Gericht noch durch eine Verwaltungsbehörde entschieden. Es kam auch zu keiner einvernehmlichen Regelung mit den RückstellungsgegnerInnen. Fritz S. trat vielmehr seine Rückstellungsansprüche gegen Bezahlung einer Geldsumme an August W. ab. Somit erhielt Fritz S. auf diese Weise eine Entschädigung für die antragsgegenständlichen Liegenschaften. Die Prüfung, ob eine „extreme Ungerechtigkeit“ vorlag, war nicht vorzunehmen, da es sich bei der Zahlung August W.s an Fritz S. um eine Entschädigung handelte, die „auf andere Weise“ dem Rechtsvorgänger der Antragstellerinnen zugekommen ist und daher nicht unter die Ausnahmen des Entschädigungsfondsgesetzes fällt. Die nunmehrigen Anträge auf Naturalrestitution mussten daher abgelehnt werden.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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