Entscheidung Nr. 824/2012

Antrag

 

AntragstellerIn, Status

Paul M. C., Ablehnung
Peter D., Ablehnung
Vicky D., Ablehnung
Gertrude F., Ablehnung
Vivian F., Ablehnung
Charles H., Ablehnung
Ruth J., Ablehnung
Sophia J., Ablehnung
Roger K., Ablehnung
David K., Ablehnung
Lawrence K., Ablehnung
Monica K., Ablehnung
Abram M., Ablehnung
Lilly M., Ablehnung
Sue M., Ablehnung
Mina R., Ablehnung
Shelley S., Ablehnung
Michaela S., Ablehnung
Eva Susanne W., Ablehnung
Robert W., Ablehnung

Öffentliches Eigentum

Land Niederösterreich
Republik Österreich

Vermögensart

unbeweglich

Liegenschaft/en in

KG Weißenbach (23150), Gloggnitz, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Heufeld (23114), Gloggnitz, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Gloggnitz (23109), Gloggnitz, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Aue (23103), Gloggnitz, Niederösterreich | auf Landkarte anzeigen
KG Leopoldstadt (01657), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
KG Brigittenau (01620), Wien, Wien | auf Landkarte anzeigen
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Entscheidung

 

Nummer

824/2012

Datum

11.09.2012

Grund

Keine "extreme Ungerechtigkeit" iSd § 32 Abs 2 Z 1 EF-G

Typ

materiell

Anonymisierter Volltext

Pressemitteilung

Pressemitteilung Entscheidung Nr. 824/2012

Niederösterreich, Gloggnitz u. a.

Die Schiedsinstanz für Naturalrestitution hat am 11. September 2012 Anträge auf Rückstellung zweier im Eigentum der Österreichischen Bundesforste AG stehender Liegenschaften sowie von im Eigentum der Republik Österreich und des Landes Niederösterreich stehenden Wald- und Straßenflächen im Raum Gloggnitz, Niederösterreich abgelehnt. Die beantragten Grundflächen waren bereits einmal Gegenstand von Rückstellungsverfahren gewesen, die in den 1950er-Jahren mit Vergleichen beendet wurden. Die Schiedsinstanz fand keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass diese als „extrem ungerecht“ zu qualifizieren wären.

Die beantragten Liegenschaften waren Teil eines land- und forstwirtschaftlichen Gutes im Raum Gloggnitz. Dieses stand im März 1938 im Eigentum von Chance H. und deren Tochter Sophie K., die beide als Jüdinnen im Sinne der Nürnberger Gesetze von 1935 galten. Ein Teil der Liegenschaften wurde Ende 1939/Anfang 1940 durch einen von den NS-Behörden bestellten Treuhänder deutlich unter Wert unter anderem an die Stadtgemeinde Gloggnitz verkauft. 1940 musste Sophie K. die restlichen Liegenschaften ebenfalls unter Wert an die Reichsforstverwaltung verkaufen.

Chance H. verstarb im Mai 1940 in Wien. Sophie K. wurde im November 1941 nach Minsk deportiert und ermordet. Ihre Söhne Marcel und Bruno K. überlebten den Zweiten Weltkrieg in Großbritannien bzw. im Shanghaier Ghetto. Ab dem Jahr 1949 strengten sie Verfahren über die Rückstellung der Liegenschaften an.

Das Verfahren betreffend die an die Stadtgemeinde Gloggnitz verkauften Liegenschaften endete im August 1952 mit einem Vergleich zwischen der Stadtgemeinde Gloggnitz und den Brüdern K., die gegen Zahlung von 600.000,– Schilling auf die Restitution verzichteten. Auch das Verfahren über die Rückstellung der an die Reichsforstverwaltung verkauften Liegenschaften endete mit einem Vergleich, den die Brüder K. im Oktober 1957 mit der Republik Österreich – diese war aufgrund des Staatsvertrags von Wien 1955 Eigentümerin der Liegenschaften geworden – abschlossen. In diesem verzichteten Marcel und Bruno K. gegen Bezahlung von 160.000,– Schilling auf die Rückstellung.

Die nunmehrigen AntragstellerInnen – der Sohn Bruno K.s und insgesamt 19 ErbInnen nach Marcel K. – machten die extreme Ungerechtigkeit dieser beiden Rückstellungsvergleiche geltend.

Im Fall des 1952 zwischen den Brüdern K. und der Stadtgemeinde Gloggnitz geschlossenen Vergleichs verneinte die Schiedsinstanz das Vorliegen einer extremen Ungerechtigkeit: Die Vergleichssumme war auf Grundlage eines objektiven gerichtlichen Sachverständigengutachtens über den Verkehrswert der Liegenschaften zustande gekommen und es konnte lediglich eine geringe Differenz zwischen dem Vergleichsbetrag und dem Wert dessen, worauf die Brüder K. im Falle einer positiven Rückstellungsentscheidung Anspruch gehabt hätten, festgestellt werden. Die Schiedsinstanz lehnte daher den Antrag auf Rückgabe der von diesem Vergleich umfassten Flächen – aus diesen waren seit den 1970er-Jahren mehrere Trennstücke in eine Bundes- und eine Landesstraße einbezogen und ein Grundstück vom Bund für die Errichtung des Semmering-Basistunnels erworben worden – ab.

Auch im 1957 abgeschlossenen Vergleich zwischen den Brüdern K. und der Republik Österreich sah die Schiedsinstanz keine extreme Ungerechtigkeit. Das Beweisverfahren ergab zwar, dass die Verfahrensparteien bei den Vergleichsverhandlungen von einem Liegenschaftswert ausgingen, der aus heutiger Sicht sehr wahrscheinlich zu niedrig angesetzt war. Es gab aber keinen Hinweis darauf, dass die Republik gegenüber den Rückstellungswerbern einen Informationsvorsprung gehabt oder zu ihren Gunsten ausgenutzt hätte. Die Bundesforste hatten den Vergleichsverhandlungen eine aus ihrer Sicht plausible Wertbemessung zugrunde gelegt. Zudem hatten sie Marcel und Bruno K. die von ihnen angeforderten Abrechnungen zur Verfügung gestellt, und deren Anwalt hatte sich im Lauf der Verhandlungen selbst ein Bild vom Zustand und Wert der Liegenschaften gemacht.

Die Schiedsinstanz verneinte auch das Vorliegen einer Schlechterstellung der Brüder K. dadurch, dass ihnen im Rückstellungsverfahren ab 1956 die Republik Österreich bzw. als deren Vertreterin die dem Finanzministerium unterstehende Finanzprokuratur gegenüberstanden. Im konkreten Fall konnten auch keine Anhaltspunkte für ein bewusstes Zusammenwirken der beteiligten Behörden zum Schaden der Rückstellungswerber gefunden werden. Schließlich war auch die lange Verfahrensdauer von rund sieben Jahren nicht darauf zurückzuführen, dass die Behörden das Verfahren mutwillig und mit dem Ziel, der Republik Vermögensvorteile zu verschaffen, verzögert hätten.

Da die Schiedsinstanz somit keine Einschränkung der Privatautonomie der Brüder K. in diesem Verfahren feststellen konnte – was jedoch nach der ständigen Entscheidungspraxis der Schiedsinstanz eine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen einer extremen Ungerechtigkeit ist –, lehnte sie auch den Antrag auf Rückgabe der an die Reichsforstverwaltung verkauften Liegenschaften ab.

Zur Verwendung durch die Medien bestimmter Text, der die Schiedsinstanz nicht bindet.
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